Die Macht der virtuellen Wahlkämpfer

Die sozialen Kanäle Facebook und Twitter können im Wahlkampf eine Bereicherung sein, sagt Kampagnen-Experte Daniel Graf.

Online-Stratege und Campaigner Daniel Graf arbeitet gerade an einem Buch über «Digitale Demokratie», das im Mai erscheinen soll. Der 44-Jährige bietet zudem als Geschäftsführer von Campaign Bootcamp Switzerland Weiterbildungen im Bereich Kampagnen an.

Daniel Graf, wie wichtig sind die sozialen Netzwerke im Wahlkampf?

Für den Wahlkampf ist Präsenz auf Facebook und auch Twitter heute ein Muss. Man bewegt sich da auf einem gros­sen digitalen Dorfplatz, wo sich die meisten Leute im Internet aufhalten. Sind die Politiker dann gewählt, vernachlässigen sie die sozialen Netzwerke oft.

Wie gut bewegen sich die Schweizer Politiker auf diesem digitalen Dorfplatz?

Im europäischen Vergleich hinkt die Schweiz einige Jahre hinterher. Das liegt an der direkten Demokratie. Die Wahlen hier sind nicht ganz so wichtig, weil jeder Bürger auch noch selber abstimmen kann. Es gibt in der Schweiz nicht die grossen Wahlschlachten mit riesigen Budgets, es wird eher konventionell gearbeitet und weniger Geld in den Auftritt auf den sozialen Plattformen investiert.

Bild: Eva Stuker

Die sozialen Medien gewinnen an Bedeutung, je knapper eine Wahl ist. Fehlen nur wenige Stimmen, dann ist es effizienter, in diese Kanäle zu investieren.

Daniel Graf, Online-Stratege


An einen Social-Media-Manager ist also nicht zu denken. Macht das jeder Politiker in Eigenregie?

Genau, das ist die Idee und Stärke von Facebook oder Twitter. Sie versprechen dem Wähler Nähe zum Kandidaten. Jenseits von Wahlplakaten oder Flyern sollen die Kontakte einen Einblick in den Alltag der Politiker erhalten. Das funktioniert am besten, wenn diese ihre Beiträge selber gestalten und veröffentlichen.

Wie genau können diese Plattformen einen lokalen Wahlkampf wie die Ersatzwahlen für den Freiburger Staatsrat beeinflussen?

Da gibt es zwei grundsätzliche Strategien. Einerseits kann man diese Netzwerke gezielt einsetzen, um mehr Medienpräsenz zu erlangen und um Journalisten auf sich aufmerksam zu machen. Die Politiker werden von sich aus aktiv und halten dadurch die Zügel in der Hand. Sie können bestimmen, wann sie was veröffentlichen.

Hier geht’s zum Social-Media-Check der sieben Staatrats-Kandidaten

Und die zweite Strategie?

Ist diejenige der Mobilisierung: Die Politiker können für den Wahlkampf ihre bestehenden Netzwerke aktivieren und in einem Kanton einige Tausend Leute für sich gewinnen. Im Lokalen ist das besonders effizient, zum Beispiel über die Nachrichten-Funktion auf Facebook, wo man direkt mit den Personen in Kontakt treten kann. Diese bauen ein virtuelles Wahlkampf-Team auf, das nicht zu unterschätzen ist. Denn jede Person, die man im Team hat, erreicht durch ihr Netzwerk weitere potenzielle Wähler.

Können das entscheidende Faktoren sein, wenn es um Sieg oder Niederlage geht?

Die sozialen Medien gewinnen an Bedeutung, je knapper eine Wahl ist. Fehlen nur wenige Stimmen, dann ist es effizienter, in diese Kanäle zu investieren, als noch mehr Plakate und noch mehr Flyer zu drucken.

Wieso ist das effizienter?

In den sozialen Netzwerken hast du als Politiker die Chance, die Stimme direkt beim Wähler abzuholen. Nützlich dafür sind private Facebook-Nachrichten, die niemand sonst sieht. Ein beliebtes Werkzeug für den Schlussspurt sind auch SMS oder WhatsApp. Der Aufwand ist klein, die Rückmeldungen sind erfahrungsgemäss positiv, weil es die Leute durchaus schätzen, persönlich angesprochen zu werden.

Wie beurteilen Sie die Gefahr, in ein Fettnäpfchen zu treten?

Gerade im Wahlkampf haben die Politiker meist ein gutes Gespür und schlüpfen in eine klare Rolle, bevor sie die Bühne der sozialen Netzwerke betreten. Zudem sind die meisten Leichen dieser Kandidierenden bereits aus dem Keller geholt, und Einblicke in den Alltag sind in seltenen Fällen problematisch. Klar besteht ein Risiko für Fehltritte, ich schätze dieses aber eher klein ein. Das Problem ist eher, dass die Politiker zu wenig aktiv auf den sozialen Kanälen sind.

Die Gefahr ist also vielmehr, den Social-Media-Zug zu verpassen?

Ja, denn Wahlkampf ist an sich etwas Langweiliges. Darum braucht es viel Show, viele Standaktionen und Veranstaltungen. Facebook und Twitter sind heute Kanäle, die dafür sorgen, dass die Botschaft auch bei der Wählerschaft ankommt.

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