Fribourg, Freitagabend, Feierabend – auf der grossen SBB-Tafel am Bahnhof leuchtet verdächtig viel Schrift in Gelb. „Retard env. 15 Min.“ steht da zum Beispiel, aber das ist zum Glück nicht mein Zug. Mein Zug via Bern nach Luzern hat nur 8 Minuten Verspätung, alles easy.
Und doch habe ich das Gefühl, die letzten Tage hatte die SBB so ihre grösseren Probleme. Auf Twitter habe ich viel gelesen von blockierten Zügen, Verspätungen und dazu noch schlechter Kommunikation. Da ich am Bahnhof auf den Zug warte, Zeit und Freitagsfestlaune habe, twittere ich etwas provokativ:
Der Zug kommt, ich steige ein und finde ganz schweizerisch ein leeres Vierer-Abteil. Kaum hingesessen, geht die Fahrt auch schon los. Immerhin für geschätzte 3,5 Sekunden, bis der Zug abrupt wieder zum Stillstand kommt. Durchsage: „Geschätzte Fahrgäste, wir können zurzeit unsere Fahrt nicht fortsetzen, weil jemand die Notbremse gezogen hat.“ Mir kommt die Idee wiedermal in die Tasten zu hauen. Zur gleichen Zeit denke ich an meinen Tweet von vor 15 Minuten: Karma!
Wieso habe ich das getan? Selber schuld! Es ist alles nur wegen diesem Tweet passiert. Twitter und ich sind schuld, wenn alle Leute in diesem Zug verdursten.
Zwei Damen ein Abteil weiter bleiben, wie die meisten Fahrgäste, entspannt. Sie diskutieren: „Das wird jetzt etwas dauern. Die Bremse muss ja wieder gelöst werden.“ „Das habe ich jetzt noch nie erlebt.“ 20 Minuten nach der Notbremse die nächste Durchsage: „Geschätzte Fahrgäste, das Problem wurde behoben und wir warten noch auf die Freigabe für die Weiterfahrt.“
Da stelle ich mir vor, was jetzt in der zuständigen SBB-Schaltzentrale abgeht: Schweissperlen auf der Stirn eines Planers, der Herr über das dichteste Eisenbahnnetz der Welt ist. Er sitzt in einer riesigen Zentrale mit vielen Blinklichtern und Computern, die den Raum erhitzen.
Die Freigabe ist da, wir fahren los und der Lokführer entschuldigt sich für die aktuell 26 Minuten Verspätung. Locker, es ist Freitagabend.
Ich habe mich ein weiteres Mal ertappt, über die SBB zu motzen und wenige Zeit später zu bemerken, dass wir in der Schweiz so verwöhnt sind.
In diesem Sinne und mit einem Augenzwinkern für mein Karma:
Danke an alle fleissigen Helfer rund um die SBB, die dafür sorgen, dass ich fast immer pünktlich und komfortabel mit dem Zug unterwegs bin.