Sein Aufschwung wurde abrupt gestoppt – Marco Burch blickt auf turbulente Wochen beim FCL zurück

Marco Burch (19) avancierte nach der Corona-Pause zum Stammspieler beim FC Luzern. Anfang Juli verletzte sich der Verteidiger am Knie und musste operiert werden. Der Obwaldner gibt Einblicke in die vergangenen Wochen.

«Hei Bro, ich vermisse dich.» Mit diesen Worten und einer Umarmung wird Marco Burch von Teamkollege Lorik Emini (20) begrüsst. Burch schmunzelt. Die herzliche Begrüssung tut ihm gut.

Der FCL-Verteidiger aus Alpnach steht für Fotos mit Krücken und Knieschiene im Spielertunnel der Swissporarena. Es ist Freitag, der 24. Juli – 19 Tage nach dem Sturz.

Sneakers, Knieschiene und Krücken statt Fussballschuhe, Schienbeinschoner und FCL-Dress. Marco Burch kurz nach seiner Knieoperation in der Swissporarena.
Bilder: Dominik Wunderli

Rückblick: Im ersten Spiel nach der Corona-Pause steht der 19-Jährige gegen den FC Basel etwas überraschend in der Startelf – es folgen vier weitere Spiele von Beginn an. Der FCL gewinnt drei dieser fünf Spiele, holt insgesamt 10 Punkte. Die fünfte Partie ist ein Heimspiel am 5. Juli gegen den FC Thun. Burch fühlt sich vor dem Anpfiff «mega gut», hat keinerlei Blessuren und verspürt trotz strengem Corona-Spielplan keine Müdigkeit. In der 77. Spielminute kommt es bei einem Zweikampf zum verheerenden Sturz.

«Es fühlte sich zuerst nicht schlimm an. Ich spielte weiter, doch der Schmerz wurde immer stärker, das Knie schwoll an und blockierte beim Laufen.» Der Obwaldner mit der Nummer 46 auf dem Rücken wird kurz vor Schluss ausgewechselt und setzt sich auf die Tribüne. «Dort habe ich dann gar nicht mehr an meine Verletzung gedacht, sondern freute mich über den 3:0-Sieg.»

Ein Ultraschall-Untersuch am nächsten Tag zeigte lediglich die Flüssigkeit im Knie. Erst ein MRI gibt Gewissheit über die Verletzung: Riss des Aussenmeniskus im rechten Knie. Die Diagnose von FCL-Teamarzt Siegfried Reichenbach ist für Burch ein Schock:

«Ich dachte zuerst, Sigi macht Spass. Es fühlte sich wirklich überhaupt nicht so schlimm an.»

Er habe nach dieser Hiobsbotschaft nicht genau gewusst, was er denken soll. «Ich rief Vertrauenspersonen an.» Zu diesen Personen gehören seine Mutter, sein Bruder, seine engen Freunde aber auch sein Berater. «Sie haben mich auf andere Gedanken gebracht.» Trotzdem sucht er in den Tagen und Wochen direkt nach der Verletzung stetig nach den Gründen für sein Schicksal.

Als Marco Burch darüber spricht, wird seine Stimme noch etwas ruhiger, als sie sowieso schon ist. «Ich mache mir sehr viele Gedanken.» Burchs Augen zeigen, dass ihm die Sache nahe geht. «Es heisst ja, dass alles aus einem Grund passiert. Die Verletzung wird schon auch etwas Positives haben.» Seine Worte werden von einem Lachen begleitet, das Hilflosigkeit ausdrückt. «Ich stelle mir auch Fragen: Habe ich in der Vergangenheit etwas falsch gemacht? Und finde ich etwas Gutes an meiner Verletzung?» Auf die Frage, ob er schon fündig geworden sei, antwortet Burch mit einem verschmitzten Lächeln: «Ich bin noch am Suchen.»

Die Nerven halten noch, doch der Frust muss zwischendurch raus

«Wann bist du zurück?», fragt Emini im Spielertunnel sehnsüchtig. «In drei bis sechs Monaten», antwortet Burch mit leiser Stimme. Eine Frage, die er momentan oft beantworten muss. Seine Antwort führt dem Fussballer jedes Mal selber wieder vor Augen, wie lange die Pause dauern wird.

Der FCL-Verteidiger Marco Burch fällt nach einer Verletzung für mehrere Monate aus.
Der FCL-Verteidiger Marco Burch fällt nach einer Verletzung für mehrere Monate aus.

Am Montag, 13. Juli, wird Marco Burch in der Klinik St. Anna in Luzern operiert. Er weiss nicht genau, was ihn erwartet, es ist seine erste Operation. «Alles verlief gut, aber die zwei Tage direkt nach dem Eingriff waren etwas schlimmer als erwartet. Ich lag nur im Bett, durfte mein Knie nicht bewegen. Der Schlauch, der die Flüssigkeit absog, nervte mich sehr.» Da ist sie wieder, die Hilflosigkeit, die dem jungen Fussballer so gar nicht bekommt.

Sechs Wochen Krücken, sechs Wochen geht es nur langsam vorwärts. Zu Hause helfen ihm seine Mutter und sein Bruder. «Mühsam ist es, wenn ich alleine unterwegs bin. Zu akzeptieren, dass ich nicht einfach normal nach Hause gehen kann, auf die Toilette, etwas Kochen, Duschen – das fällt mir schwer.» Es geht alles länger. Dass ihm dies gar nicht passt, das kann Burch nicht verstecken. Er sagt aber: «Momentan habe ich noch genug Nerven dafür.» Die braucht er auch, denn bis Ende August wird er noch mit den Stöcken unterwegs sein.

Der Teenager hat seine Strategien, wie er mit seiner Verletzung umgeht. «Ich probiere es, mit mir selber auszumachen. Zu Hause lese ich Bücher, um den Kopf frei zu bekommen, oder spiele auf der Konsole. Es gab auch schon Situationen, da schlug ich gegen ein Kissen, danach ging es mir besser.»

Die schwarze Schiene für das Knie trägt er, wenn er nach draussen geht und sich viel bewegt. Für Zuhause reicht der Strumpf, der Schwellungen und Schmerzen lindert, aber auch Blutgerinnsel verhindert. Zum Schlafen hat er eine spezielle Schiene, die das ganze Bein stabilisiert und etwas bequemer ist. Trotzdem: Das Einschlafen ist schwierig. «Auf der rechten Seite geht es nicht, weil die Fäden noch drin sind und ich nicht darauf liegen will. Auf der linken Seite geht es auch nicht, weil ich das Knie gedanklich noch nicht loslassen kann. Darum schlafe ich meistens auf dem Rücken, so fühle ich mich am besten.»

Das Frühaufstehen klappt nicht immer

Am 13. Juni 2019 unterschreibt Marco Burch seinen ersten Profivertrag beim FC Luzern. In der Vorrunde laboriert er an einer Schambeinverletzung. Sein erstes Super-League-Spiel im FCL-Dress absolviert er am 7. Dezember 2019 gegen YB. Eine Woche später steht er auch im Heimspiel gegen Basel auf dem Platz.

Nun folgt nach guten Leistungen die nächste Zwangspause. Burch ist bei den Spielen seiner Mannschaft nur Zuschauer. Er muss mitansehen, wie der FC Luzern in eine Baisse rutscht. «Es ist schade, dass ich dem Team nicht helfen kann – das passt mir gar nicht.» Wie schaut ein Fussballer die Spiele seiner Mannschaft? Er habe eigentlich nicht einen speziellen Fokus, sondern achte eher auf das gesamte Spiel. Bei einigen Situationen denke er aber schon an die Trainings. «Ich merke, wenn Aktionen nicht so laufen, wie wir das trainiert haben. Gleichzeitig fallen mir auch einstudierte Situationen auf.»

Die Spieltage, das sind jene Tage, an denen Marco Burch noch am nächsten bei der Mannschaft ist. Sein Tagesablauf hat sich radikal verändert:

«Ich versuche am Morgen früh aufzustehen, doch das gelingt mir nicht immer.»

«Nach dem Frühstück hänge ich ein Gerät an mein Knie, das den Muskel stimuliert. Anschliessend mache ich Übungen für den Hüftbereich und den Oberkörper.» Fast täglich fährt der Alpnacher mit dem Zug nach Luzern in die Physiotherapie. Er trifft bei diesen Terminen immer mal wieder auf Teamkameraden, wie zum Beispiel Christian Schwegler. Der Routinier ist ebenfalls im Aufbau nach einer Verletzung.

Am meisten Kontakt hat Burch aber mit den jungen Spielern, die er aus den gemeinsamen Zeiten in den Jugendmannschaften kennt – zum Beispiel Lorik Emini oder auch David Mistrafovic (19). «Es haben mir aber auch ältere Spieler aus der Mannschaft Nachrichten geschickt», betont Burch. Alle im Klub – vor allem Marco Burch selber – wollen, dass die Nummer 46 beim FC Luzern so schnell es geht, wieder auf dem Platz steht.

Als Marco Burch nach dem Gespräch durch die Gänge der Swissporarena läuft, sieht er zufällig Mistrafovic in der Garderobe sitzen. «Hei, bist du auch wiedermal da?!», sagt Mistrafovic, steht auf und umarmt seinen Kumpel.

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