20 Spiele, 0 Punkte und ein Torverhältnis von 26:104: Die 3. Mannschaft des FC Trübbach hatte in der letzten Saison wenig Grund zum Jubeln. Sie war das statistisch schwächste Team der Schweiz. Wir haben das Team im Training besucht und trafen sympathische Typen und einen leidenschaftlichen Trainer.
Es ist Mitte August, aber an diesen Sommerabend ist es im St.Galler Rheintal kalt und nass. Der Trüebbach, welcher direkt neben der Sportanlange Gulafons vorbei plätschert, gibt dem Dorf Trübbach seinen Namen. Ein Dorf, in welchem man beim Anblick des Klubhauses merkt, dass die Gemeinde nicht wirklich für den Fussball lebt.
An diesem Dienstagabend sind schon 45 Minuten vor Trainingsbeginn die ersten Fussballer auszumachen, die zu Fuss, mit dem Velo, dem Töffli, dem Roller und in Ausnahmefällen mit dem Auto eintreffen. Antonio dos Reis, Trainer der 3. Mannschaft, und sein Captain Sandro warten auch bereits. Antonio trägt eine Wintermütze. Später sagt mir der Portugiese mit einem grossen Lachen im Gesicht: «Weisst du, alles unter 20 Grad ist für mich Winter.»
Eine erste Saison voller Probleme
Die beiden sind die Seele der statistisch schlechtesten Mannschaft der Schweiz. 20 Spiele, 0 Punkte und ein Torverhältnis von 26:104 sind die ernüchternden Zahlen nach der Saison 2015/16.
War das intern überhaupt ein Thema? «Im WhatsApp-Chat kam mal ein Printscreen, da waren wir noch die zweitschlechteste Mannschaft vor einem Team aus dem Wallis. Doch in der letzten Runde haben die es irgendwie geschafft noch zu gewinnen», so der 19-jährige Captain. Der nicht sonderlich ruhmreiche Titel war den Jungs also bewusst, aber weiter kein grosses Thema.
Es gibt ja sowieso genug Baustellen: «In der Winterpause wurde das ganze Kader durcheinander gewürfelt. Fast keiner, der im Sommer startete, nahm auch die Rückrunde in Angriff», erzählt der Zeichner-Lehrling. Die Gründe sind die altbekannten im Amateurfussball: Der Student ist nur am Wochenende da, es gibt viele verletzte Spieler und manchmal hat einer auch einfach keine Lust mehr. Captain Sandro ist da eine Ausnahme – genau wie sein Trainer.
Beide können sich für das «Projekt», wie sie es selber formulieren, begeistern. Sie geben viel, obwohl bisher wenig zurückkommt. Der Fussball ist ihre Leidenschaft, Trübbach ihr Dorf, der FC Trübbach ihr Verein.
Lehrling, Flüchtling und Sohnemann
Der 55-jährige Antonio dos Reis lebt für den Fussball, und das merkt man. «Ja, es fehlt an der Kontinuität, Spieler kommen und gehen. Aber die Mannschaft ist sehr jung, sie hat Potenzial und menschlich sind es alles super Typen», sagt der Portugiese fast schon enthusiastisch über sein Team.
Ein Team, das aus so vielen unterschiedlichen Charakteren besteht: Ein Lehrling aus Trübbach kickt mit dem Flüchtling aus Syrien, von dem niemand so richtig weiss, was er macht und wie er ausgerechnet nach Trübbach kam. Daneben steht ein kleiner Knirps – es ist der Sohn von Antonio, der eigentlich bei den B-Junioren spielt. Doch mangels Spielern wurde sein Training abgesagt. Darum spielt er heute in der Mannschaft seines Vaters mit. Dazu kommen Spieler aus Buchs, Sargans oder dem angrenzenden Liechtenstein.
Das Geld fehlt, aber das Herz ist am rechten Fleck
Während sich die Truppe von Antonio dos Reis auf den Weg zum Platz macht, fährt die erste Mannschaft (4. Liga) mit dem Velo los: «Ja die gehen vor dem Training noch auf eine lockere Velotour», sagt mir Antonio. Ich mache gleichzeitig noch ein paar Fotos vom Klubhaus und Sandro meint: «Es gibt hoffentlich bald ein Neues.»
Die Finanzierung ist für den kleinen Dorfverein eine grosse Herausforderung. Jede Mannschaft sorgt selbst für Sponsoren, und sollte tatsächlich ein neues, schmuckes Vereinslokal entstehen, dann nur dank der Unterstützung durch Mitglieder des FC Trübbach – also quasi alles aus dem eigenen Sack bezahlt.
Auf dem Kunstrasen angekommen, beginnt das Training. Elf Spieler sind mit von der Partie, was eher eine gute Anzahl ist.
Seine Mannschaft habe letzte Saison einige Spiele mit weniger als elf Akteuren auf dem Feld bestritten, erzählt Antonio. «Oftmals hatte ich erst am Vorabend oder am Spieltag selber Gewissheit, wie gross (oder eben klein) mein Kader sein wird. So traten wir auch mal mit elf oder zwölf Spielern an und wenn sich zwei Spieler verletzten, waren wir in Unterzahl.» Der Trainer ist für seinen Job nicht zu beneiden, doch er steckt das weg und strotzt vor Motivation.
Zuerst locker ein paar Runden laufen, dann etwas dehnen und anschliessend steht eine Passübung an. Während diese bereits läuft, kommt noch einer zur Gruppe dazu. «Ciao Antonio! Sorry, ha chli länger müese schaffe», sind seine ersten Worte.
Für Antonio nichts Neues. Er schickt den Spätankömmling auf zwei Runden, bevor er in die Übung eingreifen darf. Diese beobachtet Antonio dos Reis konzentriert und gibt immer wieder Tipps: «Eins, zwei, jawohl. Eins, zwei. Das ist wie mit der Freundin im Ausgang beim Tanzen.» Die Spieler schmunzeln, die Stimmung bleibt stets locker.
Neue Saison, neues Glück?
Für Aussenstehende mag es erstaunlich sein, dass dieses «Projekt» nach einer solchen Startsaison am Leben erhalten wird. Schaut man aber etwas genauer hin, ist es eine Herzensangelegenheit.
Die Mannschaft bietet jedem eine Möglichkeit, Fussball zu spielen, und trotz Erfolglosigkeit sind die Mentalität und die Begeisterung beim Kern der Mannschaft nicht verloren gegangen. «Hoffentlich können wir in der kommenden Saison in allen Belangen einen Schritt nach vorne machen. Unser Ziel ist, in jedem Match zu gewinnen.» schaut Sandro voraus.
Geht es nach dem Trainer, ist das alles nur eine Frage der Zeit: «Wir waren letzte Saison oft nahe an einem Punktgewinn oder einem Sieg. Wir müssen uns mental noch steigern, und ich hoffe, es kommt etwas Kontinuität ins Kader.»
Keine lockere Velotour
So kontinuierlich wie das Wasser den Trüebbach herunterfliesst, nimmt auch das Training Fahrt auf und die Wolken über dem Gonzen, dem mächtig wirkenden Felsen über dem Dorf, lockern sich auf. Vielleicht ein Zeichen für eine sonnige Saison der 3. Mannschaft des FC Trübbach. Und wenn nicht, auch nicht so schlimm.
Die Emotionen und die Leidenschaft stimmen: Als ich auf der Heimreise mit dem Bus Richtung Sargans nochmals am Trainingsgelände vorbei fahre, wird gerade frenetisch ein Tor bejubelt. Etwas weiter vorne entdecke ich noch die 1. Mannschaft. Die Velos neben einer steilen Treppe parkiert, sprinten die Kicker die unzähligen Stufen brav rauf und runter. Nichts da von lockerer Velotour.
Dieser Verein und besonders das «Projekt» der 3. Mannschaft hat Charme. Das Dorf lebt zwar nicht für den Fussball, aber die Spieler und Trainer des FC Trübbach dafür umso mehr.